Vonovia: Hallo Herr Brockhoff. Sie werden in diesem Jahr als Jury-Vorsitzender bereits zum vierten Mal tausende von Fotografien sichten, die sich mit dem Thema „Zuhause“ beschäftigen. Entdecken Sie dabei immer noch neue und unerwartete Aspekte?
Martin Brockhoff: Das Besondere des Themas ist ja seine Komplexität. In dem Mikrokosmos „Zuhause“ spiegeln sich alle sozialen, kulturellen, religiösen, ökonomischen und politischen Fragestellungen unserer Zeit. Dieser gesellschaftliche Prozess hört nie auf. So erhalte ich ständig neue Einblicke in eine Welt, die meinen persönlichen Horizont erweitern.
Ist dies eine besondere Herausforderung für die Fotografinnen und Fotografen?
Ganz im Gegenteil. Ich denke der Vonovia Award für Fotografie ist ein Geschenk für alle Fotografinnen und Fotografen. Das Zuhause treibt alle an, weil es so viele Fragen stellt.
Warum?
Weil die Lebenswirklichkeiten und die Lebenswünsche der Menschen nicht deckungsgleich sind. Die Fotografie braucht diese Ungereimtheit, um zu Höchstleistungen zu kommen. Jede neue fotografische Arbeit ist letztlich ein weiterer Stein im Puzzle „Zuhause“ und verdichtet unser Thema. Das fotografische Ziel ist dabei nicht das Bild, sondern der Mensch.
Liefern die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei ein realistisches oder eher ein komponiertes, ästhetisches Bild eines Zuhauses?
Die Fotografie ermöglicht viele Varianten der Umsetzung. Für die Jury ist es von großer Bedeutung, dass die Umsetzung dabei die jeweilige Aussage unterstützt. Hier gibt unser Award keine Vorgaben bezüglich der technischen und inhaltlichen Realisation der Serien. Die Bildeinsendungen bewegen sich auf der kompletten Bandbreite zwischen der abbildenden, begleitenden Dokumentarfotografie und der inszenierten Bildkomposition.
Gibt es auch Einsendungen, die in den Quartieren von Vonovia entstanden sind?
Es hat eine Preisträgerin mit einer sehr interessanten Arbeit gegeben, die in Hamburg Steilshoop eine Serie über das Leben der Bewohner im Quartier gemacht hat. In den Wohnungen von Vonovia leben rund 1 Million Menschen aus über 140 Ländern. Natürlich gibt es auch hier Vieles zu entdecken. Wir freuen uns über jede neue Einsendung.
Hat Sie die große Teilnehmerzahl überrascht?
Die Teilnehmerzahl spiegelt die herausragende Bedeutung dieses Preises. Am Anfang gab es natürlich Unsicherheiten, da wir den Preis neu installierten. Inzwischen ist der Vonovia Award für Fotografie eine feste und anerkannte Größe und genießt großen Respekt. Das Ergebnis spricht für sich und wird in Zeitschriften, Zeitungen, Galerien und Museen gezeigt.
Gab es auch Kritik am Award?
An diesem Award arbeiten sehr viele Menschen. Wenn es Kritik gibt, so gilt diese immer der Verbesserung und Entwicklung dieses Preises. Wir sind ja mit diesem Projekt bei null angefangen und haben es Stück für Stück gebaut. Da wirkt ein großartiges Team zusammen und jeder zeigt hierbei einen großen, persönlichen Einsatz.
Wie trifft die Jury ihre Entscheidungen?
Alle haben eine gleichwertige Stimme und die Zusammensetzung der Jury ist bewusst vielschichtig. Hinter allen Jury-Mitgliedern verbirgt sich ein ganz eigener Zugang zur Fotografie. Jeder kämpft hier für seine Überzeugung. Am Ende der Jurysitzung sind wir alle ziemlich platt, aber das Ergebnis überzeugt.
Was war Ihr schönster Moment im Rahmen Ihrer Arbeit als Jury-Vorsitzender?
Für mich gehört dieser Preis zu den fünf wichtigsten Projekten meines bisherigen fotografischen Lebens. Ich genieße jeden Moment, an dem ich bei der Umsetzung helfen kann.
Info: Beim Vonovia Award für Fotografie sind Fotografinnen und Fotografen aufgerufen, das Thema Zuhause auf künstlerisch-inszenierte, konzeptionelle oder dokumentarische Weise zu beschreiben und zu interpretieren. Zu den bisherigen Teilnehmern gehörten bekannte und preisgekrönte freie Fotografen, aber auch Fotojournalisten und Fotografen der international bekannten Fotoagenturen wie laif, Ostkreuz oder Magnum. Eine unabhängige Fachjury aus den Bereichen Fotografie, Journalismus, Kunst und Lehre sowie der Immobilienbranche entscheidet über die Vergabe der Preise. Insgesamt wird ein Preisgeld in Höhe von 42.000 Euro ausgelobt.